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Amtsgericht Essen (Az. 135 C 212/10)

Geschädigter muss keinen Vergleich der Werkstattkosten vor Ort anstellen, bevor er einen Schaden beheben lässt

Ein Autounfall ist für jeden Verkehrsteilnehmer extrem ärgerlich. Er ist immer mit Stress, Schwierigkeiten und einem gewissen Aufwand verbunden, hinzu kommen eventuell auch noch körperliche und psychische Folgen, die mitunter sehr schwerwiegend sein können. Da kann man froh sein, wenn zumindest die eigene Versicherungsgesellschaft den entstandenen Schaden (am eigenen Fahrzeug und/oder am Fahrzeug des Unfallgegners) ohne Probleme übernimmt. Leider ist dies nicht immer der Fall. Diese Tatsache zeigte sich wieder einmal in einem kürzlich verhandelten Fall vor dem Amtsgericht Essen. Hier die Details: Der Geschädigte, gleichzeitig auch Kläger, wollte nach einem unverschuldeten Autounfall seinen Schaden in einer Werkstatt reparieren lassen. Da ihm die Kosten für die Reparatur in einer Markenwerkstatt zu teuer erschienen, wählte er im gleichen Ort eine freie Vertragswerkstatt und ließ dort sein Fahrzeug reparieren.  Nach Fertigstellung der notwendigen Reparaturen wollte er schließlich die Reparaturkosten mit der Versicherung des Unfallgegners abrechnen. Dabei kam für den Kläger das große Erwachen: Die Versicherungsgesellschaft verweigerte die Auszahlung einer Versicherungsleistung, da im gleichen Ort mehrere freie Autowerkstätten ansässig seien, von denen zumindest eine günstiger als die vom Kläger gewählte Werkstatt arbeite. Somit hätte der Kläger die günstigere Werkstatt wählen sollen, damit der Versicherungsgesellschaft kein überhöhter finanzieller Aufwand entsteht. Dass der Geschädigte dieses Verhalten der Versicherung nicht hinnehmen wollte, ist wohl verständlich. Er verklagte die Versicherungsgesellschaft auf Zahlung der Reparaturkosten gegenüber der von ihm gewählten freien Werkstatt. Der Fall landete schließlich vor dem Amtsgericht Essen, das zugunsten des Klägers entschied. Die Richter stellten fest, dass es dem Unfallgeschädigten nicht zuzumuten sei, zunächst einen umfassenden Vergleich aller Werkstätten im betreffenden Ort anzustellen, bevor er seinen Reparaturauftrag an eine bestimmte Werkstatt vergibt. Grundsätzlich stehe es jedem Versicherten frei, sich hinsichtlich der Reparatur des beschädigten Fahrzeugs für eine Markenwerkstatt oder eine freie Werkstatt zu entscheiden. Die Versicherung muss ihre Leistung in jedem Fall auszahlen. Im hier vorliegenden Fall käme allerdings noch hinzu, dass der Versicherte bereits eine freie Werkstatt, die grundsätzlich günstiger arbeite, gegenüber der Markenwerkstatt vorgezogen habe. Somit sei ihm keinerlei Fehlverhalten anzulasten, das die Versicherungsgesellschaft dazu berechtige, die Auszahlung ihrer Leistung zu verweigern. Für die Autofahrer in Deutschland dürfte dieses Urteil eine große Genugtuung sein. Der hat schließlich nach einem Unfall schon genug Stress damit, die entsprechenden Folgen zu ertragen – seien es gesundheitliche, finanzielle oder einfach Schwierigkeiten im alltäglichen Leben. Vielfältige Dinge müssen nach einem Unfall organisiert werden, z. B. ein Ersatzfahrzeug, eine medizinische Behandlung und vieles mehr. Da ist es doch schön, wenn der Versicherte wenigstens darauf vertrauen kann, dass die Versicherungsgesellschaft des Unfallgegners den Schaden an seinem Fahrzeug ohne Murren und unnötige Komplikationen reguliert. Obwohl in der Vergangenheit bereits mehrere Gerichte zugunsten der Versicherten und der diesbezüglichen freien Wahl einer Autowerkstatt entschieden hatten, hat sich dies noch nicht bei allen Versicherungsgesellschaften herumgesprochen. Und das, obwohl die freie Werkstattwahl eigentlich längst selbstverständlich sein sollte.