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Landgericht Coburg (Az. 12 O 578/14)

Vollkaskoversicherung darf bei unrichtigen Angaben die Zahlung verweigern

Die Vollkaskoversicherung ist in Deutschland sozusagen das „sanfte Ruhekissen“ des Versicherten. Während die – in vielen Bereichen gesetzlich vorgeschriebene – Haftpflichtversicherung lediglich dazu da ist, verursachte Schäden auf gegnerischer Seite zu regulieren, übernimmt die Vollkaskoversicherung auch Schäden an den eigenen Sachen bzw. der eigenen Gesundheit des Versicherten, auch wenn dieser den Schaden selbst verursacht hat. Im Gegenzug ist der Versicherte dazu verpflichtet, im Falle eines Schadens richtige Angaben zu machen und seine sogenannte Aufklärungsobliegenheit wahrzunehmen. Er muss also alles dafür tun, um den Schadensfall für die Versicherung transparent und nachvollziehbar darzustellen und eventuell unklare Sachverhalte bestmöglich aufzuklären. Tut der Versicherte dies nicht, so hat er gegen die Versicherungsbedingungen im entsprechenden Vertrag verstoßen. Eine Folge dessen kann sein, dass die Versicherung die Auszahlung ihrer Leistung teilweise oder sogar komplett verweigert. Ein in diesem Bereich angesiedelter Fall wurde vor dem Landgericht Coburg verhandelt. Es ging im Detail um folgenden Sachverhalt:

Fahrer wollte Fußgänger schützen

Kläger war ein Fahrzeugführer, der mit seinem Pkw in einen Unfall verwickelt wurde. Das Fahrzeug war mit einer Vollkaskoversicherung versichert. In der Schadensmeldung an die Versicherung gab der Kläger an, dass ihm ein Fußgänger in hohem Tempo auf der Straße beim Überqueren direkt vor sein Fahrzeug gelaufen sei. Er habe diesen Fußgänger nicht rechtzeitig sehen können und zur Vermeidung einer Kollision das Steuer ruckartig nach rechts herumgerissen, wodurch es zu dem besagten Unfall mit einem anderen Fahrzeug gekommen sei. Der Kläger hatte zuvor in einem anderen Rechtsstreit bereits diese Form des Unfallhergangs vor Gericht geschildert und damit keinen Erfolg gehabt. Die beklagte Versicherung zweifelte für das Gericht nachvollziehbar an, ob der besagte Fußgänger überhaupt an dem Unfallhergang beteiligt sei. Vielmehr vermuteten sowohl Gericht als auch Versicherung, dass der Kläger aus eigenem Antrieb und ungeklärter Ursache ohne Einwirken eines Dritten das Steuer nach rechts herumgerissen und den Unfall mit dem auf der rechten Fahrspur fahrenden Fahrzeug verursacht habe.

Unfallschilderung des Fahrers unglaubwürdig

Auch das Landgericht Coburg hegte große Zweifel an den Aussagen des Versicherten. Hinzu kam, dass im Laufe der Gerichtsverhandlung mehrere Zeugen vernommen wurden, die den Sachverhalt deutlich abweichend von der Aussage des Versicherten darstellten. In diesem Zusammenhang wurde auch der vermeintliche Fußgänger vor Gericht als Zeuge befragt, dieser konnte jedoch keine für das Gericht glaubwürdige Darstellung des Unfallhergangs vortragen. Letztendlichen Ausschlag zur Entscheidung des Landgerichts Coburg gaben zudem auch die ebenso als Zeugen vernommen Fahrer jener Fahrzeuge, die vor und hinter dem Kläger zum besagten Zeitpunkt gefahren waren. Keiner dieser Zeugen konnte sich an einen Fußgänger auf der Straße erinnern, und auch in den Gesprächen nach dem Unfallgeschehen noch am Unfallort sei nie die Rede von einem Fußgänger gewesen, der den Fahrspurwechsel des Klägers bedingt habe.

Gericht vermutet absichtlich falsche Angaben

Das Gericht kam somit zu der Ansicht, dass der Kläger die entsprechende Frage seiner Versicherung zum Unfallhergang arglistig falsch beantwortet hätte, um damit eine günstigere Entscheidung der Regulierung herbeizuführen. In diesem Zusammenhang bemerkte das Gericht zudem, dass der Kläger selbst im Bereich Versicherungen beruflich tätig ist und somit genügend Einblick in die Regulierungspraktiken einer Versicherung haben müsse, um zu wissen, mit welchen falschen Angaben er seine Lage verbessern könne. Damit habe der Kläger laut Meinung des Gerichts seine Obliegenheiten gegenüber der Versicherung verletzt. Bereits eine solche grob fahrlässige Verletzung könne eine Kürzung der Versicherungsleistung rechtfertigen. Sollte der Kläger der Meinung sein, die Obliegenheiten nicht grob fahrlässig, sondern nur leicht fahrlässig verletzt zu haben, müsse er hierfür die Beweislast tragen.

Versicherung darf Zahlung wegen der Falschaussagen komplett verweigern

Bei einer groben Fahrlässigkeit oder sogar einer vorsätzlichen Verletzung der vertraglichen Pflichten könne der Versicherer sogar vollständig von einer Leistungspflicht befreit werden. Dies sei im hier vorliegenden Fall gegeben, so dass die Versicherung keine Leistung an den Kläger ausschütten müsse. An diesem Urteil lässt sich wieder einmal sehr anschaulich erkennen, wie wichtig es ist, die im Versicherungsvertrag verankerten Gegebenheiten sowohl zu kennen als auch anzuwenden. Wer sich für schlauer als die Versicherung hält und versucht, einen Sachverhalt zur eigenen Begünstigung falsch darzustellen, der muss auch mit den entsprechenden Folgen bis hin zum kompletten Verweigern der Versicherungsleistung rechnen. Zusätzlich können solche Falschaussagen auch straf- und zivilrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen, zum Beispiel bei einer Anklage wegen versuchten Betrugs. Dazu ist es in der Vergangenheit bereits mehrfach gekommen, denn die Versicherungen verstehen in dieser Hinsicht überhaupt keinen Spaß.